Sicher mit Holz
Der Titel für die Tagung von S-WIN «Sicher mit Holz» vom 08. Februar 2024 lässt sich unterschiedlich auffassen. So etwa als «bestimmt und sicherlich mit Holz» oder aber wörtlich als «Sicherheit mit Holz». Die Ausführungen der am Anlass in der ETH Zürich unter der Leitung von Prof. Andrea Frangi präsentierten Referate lassen beide Lesearten zu: die Sicherheit des modernen Holzbaus und die Wahl der nachwachsenden Naturbaustoffs als sicheres Baumaterial.
Grossvolumige Holzbauten, frei geformte Tragwerke, mehrgeschossige Bauwerke bis hin zum Hochhausbau – dem Holzbau scheinen kaum mehr Grenzen gesetzt. Insbesondere die heute geltenden neuen Brandschutzkonzepte haben dem Holzbau merklich Aufschwung verliehen, aber auch bauakustische Neuerungen, modulares Bauen, industrielle Vorfertigung und integrierte Haustechnik machen den Holzbau zur Bauweise der Zukunft. Dazu kommen neue Anwendungen mit hochfesten Holzarten (Laubholz) sowie Vorspannungs und leistungsfähigen Verbindungsmittel.
Hoch hinauf mit Holz
Im Holzbau ist die Entwicklung beim Hochhausbau ein wesentlicher Treiber für bautechnische Neuerungen. Heute ist das Ziel, Gebäudehöhen von 150 Metern zu erreichen nicht mehr utopisch. Moderne und leistungsfähige Verbindungsmittel, leichte und gleichzeitig stabile wie auch sichere Systeme für die Konstruktion von Geschossdecken sind nur zwei der dafür verantwortlichen bautechnischen Voraussetzungen. Im IBK (Institut für) der ETH Zürich werden mit numerischen Methoden und auch mit mechanischen Experimenten die Grenzen und Möglichkeiten des heutigen Holzbaus in praxisnaher Weise erforscht und so grundlegende Erkenntnisse gewonnen.
Die am Fachanlass von S- WIN zeigten einen repräsentativen Ausschnitt dieser Tätigkeiten. So etwa mit der Modellierung des Tragverhaltens von Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen, mit Erkenntnissen zum Verhalten von Brettsperrholzrippendecken im Brandfall, mit Erläuterungen zu Holz-Beton-Verbunddecken mit eingeklebten Schubverbindern in Buchenstabschichtholz wie auch durch Erfahrungen mit Hohlkastendecken und vorgespannten Holzträgern.
Stahl-Holz Stabdübelverbindungen
Jonas Wydler (Postdoktorand bei der Empa, Abteilung Cellulose & Wood Materials, Dübendorf) stellte fest, dass Holzfachwerke gemäss Norm SIA 265:2021 als Rahmentragwerke unter Berücksichtigung der verbindungsspezifischen Nachgiebigkeit zu bemessen sind. Weil Angaben zum Tragverhalten von Stabdübelverbindungen unter kombinierter Beanspruchung von Normalkraft und Biegung fehlen, sei dieses Vorgehen jedoch praktisch nicht anwendbar. Alternativ lasse sich aber ein vereinfachtes Bemessungsverfahren anwenden. Dabei werden die Schnittkräfte unter Annahme gelenkiger Anschlüsse berechnet und der rechnerische Normalkraftwiderstand aufgrund der dadurch vernachlässigten Biegung auf 75% reduziert. Dieses Verfahren beruht auf empirischen Untersuchungen an exzentrisch belasteten Verbindungen (Gehri 1980) und ist auf bestimmte Fachwerk-Geometrien limitiert.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Empa und der ETH Zürich wurden mechanische Modelle für die Untersuchung der Zuverlässigkeit von Holzfachwerken mit Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen entwickelt. Jonas Wydler stellte ein Ansatz zur Modellierung solcher Verbindungen unter exzentrischer Lasteinwirkung vor, verglich mit Versuchsdaten und stellte damit eine Alternative zur vereinfachten Bemessung von Fachwerken mit Stabdübelverbindungen zur Diskussion.
Brettsperrholzrippendecken im Brandfall
Mit den seit 1.1.2015 geltenden Schweizerischen Brandschutzvorschriften BSV 2015 der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF können Holzbauten in allen Gebäudekategorien und Nutzungen errichtet werden. Bei der Definition des Feuerwiderstandes wird eine Konstruktion mit brennbaren Anteilen den nicht brennbaren Bauteilen gleichgestellt.
Für Holzdecken in Gewerbe-, Wohn- und Industriegebäuden sind weitspannende Deckensysteme notwendig. Miriam Kleinhenz von Basler und Hofmann berichtete über entsprechende numerische und experimentelle Untersuchungen zum Thema. Die begrenzte Steifigkeit von Holzbauelementen lasse sich durch Verbundquerschnitte, wie T- und Kastenprofilen, überwinden.
Brettsperrholzrippendecken (BSP-Rippendecken) sind eine Holz-Holz-Verbundkonstruktion, die aus
BSP-Platten besteht, welche schubsteif mit BSH-Rippen verbunden sind (Abb. 1). Die schubsteife
Verbundwirkung zwischen den Holzbauelementen wird mithilfe eines Polyurethan-Klebstoffs (Purbond HB S709) durch Schraubpressverklebung erreicht.
Es wurden vier Brandversuche als Feuerwiderstandsprüfungen unter der Einheits-Temperatur-Zeit-Kurve gemäss den europäischen Prüfnormen EN 1363-1 und EN 1365-2 durchgeführt. Im Versuchsaufbau wurde eine konstante mechanische Belastung gleichmässig verteilt aufgebracht, wobei das Feldmoment dem Biegemoment aus der Bemessung der Querschnitte entsprach.
Ergebnisse: Es wurden Feuerwiderstandszeiten von 90 bis 120 Minuten erreicht. Die zwischen den BSP-Lagen gemessenen Temperaturen zeigten einen plötzlichen Anstieg auf die im Ofen herrschenden Temperaturen und bestätigten so ein Abfallen verkohlter BSP-Lagen. Die Restquerschnitte zeigten keine Anzeichen, dass die Schrauben das globale Abbrandverhalten beeinflussen. Zudem bestätigen sie, dass die Wirkung der schubsteifen Klebefuge bis zur Verkohlung des Holzes intakt blieb.
Eingeklebte Schubverbinder in Buchen-Stabschichtholz für Holz-Beton-Verbunddecken
Holz-Beton-Verbund (HBV) Systeme mit eingeklebten Schubverbindern werden seit 2001 erfolgreich in der Praxis eingesetzt. Die Schubverbinder werden in unterschiedlichen Anordnungen eingesetzt. Die Ausführungen zum Thema von Stephan Schillig, Jonah Schöneberg und Philippe Grönquist (IBK ETH Zürich / WaltGalmarini AG, Zürich / Schöne neue Welt Ingenieure, Berlin/Institut für Werkstoffe im Bauwesen, Universität Stuttgar) beschränkten sich indes auf den Einsatz in HBV-Rippendecken.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der ETH Zürich werden in Langzeitversuchen HBV-Schubverbinder mit Buchen-Stabschichtholz (BSSH) untersucht.
Um vertiefte Erkenntnisse zu gewinnen sind zuverlässige Kennwerte auch für das kurzzeitige Last-Verformungsverhalten notwendig. Mittels Push-Out-Versuchen an 30 Prüfkörpern unterschiedlicher Geometrie und Blechlängen wird das Last-Verformungsverhalten aufgezeichnet und daraus Steifigkeits- und Festigkeitswerte ermittelt. Dies in der vorläufigen Annahme, dass womöglich mit einem Einfluss der Holzart (BSSH) gegenüber den Gleichungen der Zulassung (Nadelholz) zu rechnen ist. Zusätzlich werden Streckmetalle bis zu 1 m Länge und zweilagige Streckmetalle je Balken, wie sie beim HBV-Rippendeckenelement des Forschungsprojektes eingesetzt sind, untersucht. Im Referat wurden die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Push-Out-Versuchen vorgestellt, und Vergleiche zu ähnlichen Versuchen mit Nadelholz und schliesslich der Zulassung gezogen.
Punktgestützte Flachdecken
Punktgestützte Flachdecken sind ästhetisch ansprechend und ermöglichen flexible
Innenwandanordnungen, eine optimale Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Gebäudehöhe sowie die Installation von sekundären Bauteilen auf einer Ebene. Heute werden Flachdecken hauptsächlich mit Stahlbeton gebaut stellte Dominik Bissig (ETH Zürich, IBK) in seinem Referat über die Hohlkastendecke TS3 als Cobiax-Aequvalent für den Holzbau fest. Die Herstellung Baumaterials benötige jedoch viel Energie und führe zu unverhältnismässig grossen CO2-Emissionen. Nachhaltige Lösungen für die Konstruktion von Flachdecken sind also gefragt. Holz an Stelle von Stahl und Beton sei eine Möglichkeit, dieser Problematik zu begegnen betonte Bissig.
Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, hat die Firma Timber Structures 3.0 (TS3) eine punktgestützte Flachdecke aus Holz entwickelt, die dieselben Vorteile wie die Stahlbetonvariante mit sich bringt. In den vergangenen Jahren wurden so diverse Projekte in der Schweiz, Österreich und Kanada mit diesem neuen nachhaltigen Deckensystem ausgeführt.
Der grösste Nachteil von punktgestützten Flachdecken sei – unabhängig vom eingesetzten Baumaterial – deren Materialineffizienz. Die Stärke der gesamten Deckenfläche wird anhand der grössten Spannweite und lokaler Gebrauchstauglichkeits- und Tragsicherheitskriterien festgelegt, grosse Teile der Decke sind so überdimensioniert. In punktgestützten Flachdecken aus Beton kann diesem Problem mit Hohlkörpern aus Plastik zwischen den Bewehrungslagen begegnet werden. So wird eine höhere Materialeffizienz erreicht und der Betonanteil reduziert. Das vorgestellte Projekt zielt darauf ab, ein äquivalentes System für die TS3-Flachdecke zu entwickeln: eine zweiachsig tragende Hohlkastendecke aus Holz.
Mit der TS3-Technologie werden heute Elemente aus Brettsperrholz (CLT) auf der Baustelle zu einer
beliebig grossen Platte verbunden und auf Stützen punktuell gelagert. Dabei kommen zwei
Technologien zum Einsatz: die Punktlagerung und die stumpfe, stirnseitige Verklebung der CLT-Elemente. Die Verbindung zwischen den CLT-Elementen wird durch den Verguss einer rund 4 mm dicke Fuge mit dem Zweikomponenten-Polyurethan Klebstoff TS3 CR192 erreicht. Die Hohlkastenelemente (BHT, biaxial hollow timber) bestehen aus einer oberen und einer unteren CLT-Decklage, die auf ein Gitter aus Holzstäben geklebt werden und lassen sich industriell vorfertigen.
Im vorliegenden Forschungsprojekt wurde das Tragverhalten von Elementen mit Varianten in Kreuzungspunkten untersucht. Ziel des Forschungsprojekts war die Optimierung des BHT-Aufbaus und die Entwicklung eines praxistauglichen Bemessungsentwurfs für die zweiachsig tragende Hohlkastendecke. Verschiedene Elementaufbauten wurden experimentell, numerisch und analytisch untersucht. Der Fokus lag auf der Charakterisierung des Tragverhaltens des reinen Hohlkastenteils.
Beispiele zeigten, dass im Vergleich zur reinen CLT-Lösung mit weniger als 20% zusätzlicher Deckenstärke zwischen 20 und 30% Holz einzusparen ist.
Vorgespannte Holzträger
Um einen günstigen Spannungszustand im Bauteil zu erreichen und einen kontrollierbaren Teil der
Verformungen zu kompensieren, hat sich mit Beton das Vorspannen von Trägern mit parabolischen, internen Spanngliedern bewährt. Im Holzbau wurde diese Technik indes bislang kaum angewendet. Marcel Muster Muster (ETH Zürich, IBK) erläuterte anhand einiger Beispiele die Herausforderungen für vorgespannte Tragwerke und zeigte, gestützt auf neue Versuchsergebnisse, wie weitgespannte, hochbelastete Träger mittels Vorspannung anzuwenden sind.
So wurde an der ETH Zürich (Prof. Dr. Andrea Frangi) ein Aussteifungssystem mit vorgespannten, biegesteifen Rahmen ab 2012 weiterentwickelt und 2015 wurde das «House of Natural Resources» auf dem Campus Hönggerberg eingeweiht. Dabei wurden Brettschichtholzträger mit einer linearen Ausfräsung versehen und blockverklebt. Durch diese Träger und die dazwischenstehenden Stützen wurden Vorspannkabel eingeschoben und das ganze System vorgespannt.
Doch werde die Vorspannung im Holzbau nur bei Spezialkonstruktionen eingesetzt. Ob das am fehlenden Wissen, zu hohen Kosten oder anderen Gründen liegt ist offen. Derzeit laufen Versuche an 25 m weit gespannten, parabolisch vorgespannten Trägern. Um vorgespannte Träger mit lokaler Lasteinleitung (Verankerung) auszuführen seien weitere Untersuchungen notwendig, um die in den Versuchen beobachteten Querzugrisse im Auflagerbereich besser zu verstehen und sicher bemessen zu können.
Ob künftig Holzkonstruktionen mit oder ohne Verbund vorgespannt werden, lasse sich durchaus kontrovers diskutieren, so Marcel Muster. Einerseits ist durch eine Verbundwirkung eine leichte Tragfähigkeits-, wie auch Steifigkeitserhöhung zu erreichen und gleichzeitig wird ein Korrosionsschutz geschaffen. Andererseits werden Materialen, die unter Spannung stehen, fest miteinander verbunden. Dies bringe Probleme beim Rückbau und verhindert, dass Materialien in Zukunft im Kreislauf erhalten bleiben.
Perspektiven für den Holzbau
Mit stetig neuen Rekorden imponieren Hochhäuser aus Holz in der Höhenskala und beeindrucken mit bisher ungewöhnlichen Pilotprojekten. Hierbei ist das vorherrschende Konstruktionssystem jedoch eine Holz-Beton-Hybridkonstruktion, bei der die horizontale Aussteifung des Gebäudes mehrheitlich durch einen inneren Stahlbetonkern gewährleistet wird, Neben dem Brandschutz ermöglicht dies ein schlankes Aussentragwerk. Unabhängig der Materialisierung ist diese Bauweise in Europa die vorherrschende Bauart. Mit zunehmendem Bestreben in die Höhe zu bauen, stelle sich jedoch die Frage, welchen Tragwerkskonzepte dem Bauen mit Holz Potential verleihen, die Vertikale zu erklimmen.
Charles Binck und Andrea Frangi (RTH Zürich/IBK) führten dazu aus, dass seit dem Beginn der Hochhausentwicklung im Tragwerksentwurf eine Vielzahl von Konstruktionssystemen entwickelt wurden, welche im Wesentlichen auf drei statischen Ausgangsformen gründen. Sie basieren auf biegesteifen Rahmen, Ausfachungen mit Verbänden, bzw. Diagonalen sowie auf Schubwänden.
Viele der Systeme basieren auf der Rahmenbauweise. Gegenüber den Rahmentragwerken zeigen Fachwerksysteme den wesentlichen Vorteil einer «hygienischen» Lastabtragung, innerhalb welcher Kräfte zielgerichtet und rein axial über vordefinierte Bauteile abgeleitet werden. Schubwände bilden im Hochhausbau in Form von Erschliessungskernen heute die meistverbreiteten Aussteifungssysteme in Europa.
Aus diesem Grunde sei die Hybridbauweise mit innerem Betonkern die üblichste Aussteifungsform in den sich aktuell entwickelnden «Holz»-hochhäusern. Jedoch stelle sich die Frage alternativer Bauweisen in Holz. Hierzu wurden bewährte Systeme der Tragwerksentwicklung untersucht, zum Beispiel mit innerem Holzkern in Fachwerkbauweise, als äusseres Rahmentragwerk in der Fassade, mit Diagonalausfachungen in der Fassade oder als Tube-in-Tube-System aus äusserer Rahmenröhre und einer innerer ausgesteiften Fachwerkröhre.
Charles von Büren, Fachjournalist, Bern
Tagungsunterlagen
Von der Forschung in die Praxis
ETH-Tagung S-WIN 2024
60 Seiten A4. Als pdf auf der Webseite von S-WIN erhältlich: https://www.s-win.ch/tagungsbaende/
Autoren der Fachtagung S-WIN 2024
Tagungsleiter
Andrea Frangi, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Referierende
Charles Binck, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Dominik Bissig, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Jun.-Prof. Dr. Philippe Grönquist, Institut für Werkstoffe im Bauwesen, Universität Stuttgart
Dr. Miriam Kleinhenz, Basler & Hofmann AG, Zürich
Dr. Marcel Muster, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Dr. Stephan Schilling, WaltGalmarini AG, Zürich
Dr. Jonas Wydler, Empa, Dübendorf
Bilder
IBK ETH Zürich