Holz als Materialalternative im Bauwesen
Die Fortbildungskurse von Swiss Wood Innnovation S-WIN zeigen immer wieder neue und zukunftsträchtige Entwicklungen beim Bauen mit Holz. So auch die 53. Auflage vom 25./26. Oktober 2022 mit rund 130 Teilnehmenden. Dennoch wurde eingeräumt, der Durchbruch zu einer tragenden Rolle in der Bauwirtschaft sei erst noch ein Ziel. Forschung und Entwicklung allein seien noch nicht voll ausreichend. Der Schlüssel zum Erfolg liege vorab bei der Kooperation der Disziplinen, erst die übergreifende Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Architekten und Unternehmen trage zum nachhaltig wirksamen Erfolg bei.
Die einführenden Referate drehten sich um grundlegend wichtige Fragen der Ausbildung, der bereits frühzeitig zu praktizierenden beruflichen Zusammenarbeit in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen. Gleichzeitig um die Argumente für den Holzbau im Blick auf die derzeit und künftig wichtigen Aufgaben in den Bereichen Weiterbauen, Sanieren und Verdichten. Holzbau lasse sich auch als «Humane Bauweise» bezeichnen, eine Möglichkeit des Bauens, die langfristig wertvolle Strukturen schafft und nicht allein den Intellekt, sondern durchaus auch Gefühle anspricht.
Vernetzte Ausbildung aktueller denn je
Architekt Hermann Kaufmann, als Dozent an Hochschulen erfahren in der Lehrtätigkeit, brachte es auf den Punkt: «Die Idee der vernetzten Ausbildung ist aktueller denn je.» Künftig werde das Bauen noch vermehrt von funktionierenden interdisziplinären Netzwerken geprägt sein Und gerade beim Holzbau der mit seinen Konstruktionen einen komplex strukturierten Charakter aufweist sei die frühzeitige Kooperation der Architekten mit den Spezialisten bereits in der Entwurfsphase ratsam. Gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung ist dafür die Grundlage, eine Haltung die bereits im Studium gelebt und einzuüben ist. Damit könnten Baumeister zu Meistern des Bauens werden
Auch Christoph Starck, Geschäftsführer des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA argumentierte optimistisch zum Thema Holzbau. Er stellte fest, für diese Bauweise stünden die Ampeln auf grün. Holz sei zwar kaum der alleinige Schlüssel, leiste indes unverzichtbar wichtige Beiträge an die Lösung aktueller Herausforderungen. Im Sinne der Klimaziele, lohne sich bestimmt die Konzentration auf jene Märkte, in denen das Holz seine unbestrittenen Vorteile voll ausspielen kann, d.h. beim Weiterbauen im Bestand, beim Sanieren und Verdichten. Die Eigenschaften Kreislauffähigkeit und Wiederverwendbarkeit von Bauteilen dürften künftig noch wichtiger werden. betonte Starck. Er schätzt den Holzbau als eine der innovativsten Branchen im Bauwesen ein. Die Stichworte dazu sind Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Dekarbonisierung und CO2-Speicher. Aber auch die Innovationsfreude beim Holzbau ist als unschätzbare Stärke zu sehen, auch der Mut zur Weiterentwicklung und die Offenheit für noch Ungewohntes.
Kreislaufwirtschaft mit Holz
Geschlossene Werkstoffkreisläufe sind erklärtes Ziel der Kreislaufwirtschaft, d.h. Abfall wird im Designprozess vermieden, Materialien werden wiederverwendet und natürliche Systeme sollen regeneriert werden. Der «Circular Hub», eine offene Wissens- und Netzwerkplattform für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz mit Sitz in Zürich (www.circularhub.ch) strebt ein derartiges Wirtschaften an und informiert drüber interessierte Unternehmen. Marloes Fischer informierte zu diesen Tätigkeiten und bezeichnete den Bereich Holzbau als Hauptdarsteller der Circular Economy
Die Kreislaufwirtschaft bietet nachhaltige Zukunftsperspektiven zum bestehenden Wirtschaftsmodell. Ziel ist die Gestaltung eines Systems, in dem Ressourcen nicht weggeworfen, sondern so lange wie möglich, mit höchstmöglichem Wert, in Gebrauch gehalten werden. Die drei Prinzipien der Circular Economy für Wertstoffkreisläufe sind: Eliminieren von Abfall im Designprozess, Wiederverwendung von Materialien und das Regenerieren natürlicher Systeme.[1] Alles Forderungen, die beim Holzbau eigentlich selbstverständlich sind.
Kollaboration als Schlüssel zum Erfolg
Die Suche nach nachhaltigeren Lösungen im Bauwesen stellen die Gesellschaft und die Wirtschaft vor neue und bedeutende Herausforderungen. Holz und Holzbau sind prädestiniert, hier mit dauerhaftem Erfolg Lösungen anzubieten und sie sind daran, hier Tritt zu fassen um noch vermehrt zur klaren Materialwahl zu werden. Die oft komplexen Projekte mit Holz bedingen eine frühzeitige Zusammenarbeit und Koordination der Fachplaner und Unternehmer. Was anfänglich aufwendig erscheint zahlt sich letztlich mit Zins und Zinseszinsen aus.
Dazu passte der Erfahrungsbericht von Richard Jussel, Projektentwickler der Firma Blumer Lehmann. Seine Verdienste um frei geformte Grossprojekte von international bekannten Architekten sind über die Fachwelt hinaus bekannt. Aber auch den eher unspektakulären Gebrauchsarchitekturen z.B. im Wohnbau schenkt er fachliche Aufmerksamkeit. Auch hier setzt er auf die Stärken, die ein gut eingespieltes Team zeigt. Seine Offenheit gegenüber neuen Herausforderungen und das unerschütterliche Vertrauen in sein Team sind die Basis für sein Wirken. Richard Jussel ist ein Beispiel für gelebte Kollaboration.
Architekt Gian Salis (Zürich) und Raphael Greder von Makiol Wiederkehr Ingenieure (Beinwil am See) präsentierten den Umbau des ehemaligen Sigristenhauses bei der Alten Kirche in Boswil (Kanton Aargau) Dieses Projekt steht als herausragendes Beispiel erfolgreicher Kollaboration. Das Gebäude war seit 1700 ein Bauernhaus, barg später eine Wohnung, ein Künstleratelier, Autogarage und Sauna, wurde mehrfach umgebaut und ergänzt und ist nun mit Einsatz von Holz in Konstruktion und Ausbau zu neuem Leben geweckt.
Die Einbauten aus dem 20. Jahrhundert wurden entfernt und die bestehende Struktur freigelegt. Die neuen Nutzungen sind dort eingeplant, wo sie am besten in die alte Struktur passen: Im hohen Dachgeschoss liegen nun zwei grosse Räume mit optimierter Akustik für Musik. In den alten Kammern im Obergeschoss sowie im ehemaligen Heustock sind neu Gästezimmer untergebracht. In den historischen Täfer-Stuben im Erdgeschoss entstanden Büros. In den ehemaligen Ställen finden sich Werkstatt und Lager, im neuen Anbau Ost ein Sitzungszimmer. Erschlossen werden alle diese Räume neu mit einem Aufzug und einer zentralen Treppe aus Stahl – ein Kontrapunkt zum Holz – im ehemaligen Tenn entstand eine imposante Halle, geprägt durch die Hochstüde beidseitig der Treppe.
Bei diesem Umbau war nebst den Fachkompetenzen aller Beteiligten ein zentraler Erfolgsfaktor die klar verständliche, offene, umfassende und zeitgerechte Kommunikation. Vorschläge und Varianten der Fachplaner flossen in die Überlegungen ein, so wurden für beide Seiten gute Lösung gefunden. Diese Art der Kommunikation schuf eine Vertrauensbasis, welche zu zielfokussiertem Handeln führte.
Nichts ist so ansteckend wie das Beispiel
Der obenstehende Titel geht zurück auf den Schriftsteller François de La Rochefoucauld (Frankreich 1613- 1680) und passt bestens zur S-WIN-Tagung 2022. Mehr als ein halbes Dutzend Bauten und Projekte wurden vorgestellt, allesamt mit Holz geplant und realisiert: Eventgebäude, Wohn- und Geschäftsbauten, Bildungsinstitut, Umbau und ein «Haus des Holzes» sowie eine über 20 Meter hohe eigenartige, bepflanzte Holzstruktur. Dieser Bilderbogen von Möglichkeiten der Gestaltung mit Holz illustrierte eindrücklich, das mit Holz und seinen Konstruktionen quasi nichts unmöglich zu sein scheint. Ein Mutmacher für Architekten und Ingenieure also, Holz als Schlüssel zu eindrücklichen Gestaltungen.
Vorab das Haus des Holzes, ein Neubau in Sursee von Ingenieur Pirmin Jung mit Marc Syfrig Architekt (Luzern) dürfte beispielgebend sein für überlegtes Planen, Gestalten und perfektes Konstruieren. 2016 fiel der Entscheid, mit dem Büro von Rain in das besser erschlossene Sursee zu ziehen. Realisiert wird ein Dienstleistungs- und Wohngebäude in Holzbauweise. Das Untergeschoss ist betoniert, alles andere wird in kreislauffähiger Holzbautechnologie umgesetzt. Die besondere Lage bedeute den Auftrag, hier kompromisslos ein Gebäude zu realisieren das die Zukunft für verantwortungsvolles Bauen vorwegnimmt, so Pirmin Jung. Er betonte: « Mit einer erstklassigen Holzarchitektur in städtischem Gebiet sollen weitere Investoren und Planer animiert werden, mit Holz in der Stadt zu bauen.»
Auch andere am Anlass präsentierte Projekte zeichnen sich durch gelebte und erfolgreiche Kollaboration von Seite der Disziplin Architektur und Fachingenieurwesen aus. Eine Schule für Landwirte bei St. Gallen, eine Wohnsiedlung im Kanton Zürich, ein Ersatzneubau in Basel und eine Reihe von Modulhotels. Der Neubau des Landwirtschaftlichen Zentrums LZSG steht am Rande des Dorfes Salez in der Gemeinde Sennwald ist ein Low-Tech-Pionierbau. Mit Ausnahme der automatisierten Lernküche kommt der Ausbau ohne Maschinen aus. Das gilt insbesondere für die Klimatisierung. Die Anforderungen an einen angenehmen und energiesparenden Aufenthalt sind mit den Mitteln der Architektur gelöst. Das gewählte Konzept mit einer «einfachen Technik» und möglichst viel natürlichen Baumaterialien kommt den zeitgemässen Nutzerbedürfnissen optimal entgegen. Andy Senn Architekten (St. Gallen) haben diese Vorgaben mit kreativen bautechnischen Massnahmen umgesetzt. Als Ingenieure zeichnen Merz Kley Partner AG, Altenrhein verantwortlich, für den Brandschutz Josef Kolb AG, Romanshorn, für Bauphysik und Energie die Firma Lenum AG, Vaduz.
In der Gemeinde Meilen (Kanton Zürich) ist das Wohnprojekt Burkwil mit sechs Gebäuden und rund 100 Wohnungen für bis zu 180 Personen unterschiedlichen Alters geplant. Es umfasst verschiedene Typen, Grössen und Ausbaustandards. Dazu Begegnungszonen Gemeinschaftsräume und Ateliers für Freizeit und Arbeit. Im Zentrum steht ein «Dorfplatz» mit Brunnen. Die Erschliessung der Häuser erfolgt über eine verkehrsberuhigte Strasse und über gemeinsame, halbprivate Lauben die den öffentlichen vom privaten Raum trennen. Gemeinschaftsbüros und Angebote zur Kinderbetreuung unterstützen das Arbeiten zu Hause und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Planung durch Duplex Architekten, Zürich, die Ingenieure sind WaltGalmarini, Zürich.
«Die Notwendigkeit mehr mit Holz zu Bauen ist unbestritten. Die Notwendigkeit weniger mit Beton zu
Bauen noch unbestrittener. Die Folgerung und Forderung also: mit möglichst wenig Holz möglichst viel Beton je Gebäude zu ersetzten.» (Wolfram Kübler, WaltGalmarini)
Der Grosspeter Clime in Basel ist ein Ersatzneubau für ein Bürogebäude, aus den 1980er-Jahren (Architektur Diener und Diener, Basel / Ingenieure Schnetzer Puskas, Basel). Die beiden Untergeschosse sowie die zweigeschossige Autoeinstellhalle blieben weitgehend erhalten, das bestehende Bürogebäude wurde oberirdisch vollständig abgebrochen und durch einen fünfgeschossigen Gebäudekörper ersetzt. Die Tragkonstruktion ist als Hybridbau in Holz- und Betonbauweise konzipiert. Das Holztragwerk steht als verhältnismässig leichte Konstruktion auf der bestehenden Struktur. Im Erdgeschoss finden sich 34 Holzstützen mit je einer Tragkraft von 2870 kN. Die Fenster haben Sonnenschutzgläser mit einer elektrochromen Beschichtung welche je nach Einstrahlung automatisch gesteuert werden. So erübrigen sich aussenliegende Sonnenschutzvorrichtungen.
Der erste Bau der Hotelkette Revier wurde 2016/2017 in der Lenzerheide als Modulbau mit 96 Zimmern verwirklicht (Daniel Hojdelewicz, Fortimo und Christoph Angehrn, B3 Engineering Management am Bau). Decken, Böden und Wände sind als Module in Brettsperrholz ausgeführt; reines Konstruktionsholz ohne Aufdopplung – Tragwerk, Raumtrennung und Oberfläche zugleich. Durch das Aneinanderreihen der Zimmer ergibt sich eine Zweischaligkeit, welche auch höchste Ansprüche an den Schallschutz erfüllt. Die fixfertigen Raummodule inkl. multifunktionaler Badezimmer-Box wurden im Werk produziert. Dies hat eine hohe Ausführungsqualität sowie eine kurze Bau- und Montagezeit vor Ort ermöglicht. An der Fassade der vier Zimmergeschosse sind die einzelnen Module mit hervorstehenden Metallzargen betont. Ansonsten ist das Gebäude ein klarer Holzbaukörper mit vertikaler Lattung aus sägerauer, unbehandelter Lärche. Ein zweiter Bau folgte 2019 in Adelboden, 2022 in Österreich (Montafon, Vorarlberg), dort nicht eine reine Holzkonstruktion, sondern ein Hybridbau. Weiter sind solche Hotels in Saas Fee und Laax geplant.
Mut für Ungewohntes
Werkstätten, Fabriken, Wohn- und Bürobauten oder Hotels – klar, mit Holzbau lässt sich das heute verwirklichen, bis hin zum Hochhaus. Zwei am Anlass vorgestellte Projekte, ein Eventbau und eine aus Holz gebaute architektonische Gross-Skulptur, welche hängende Gärten beherbergt entzogen sich herkömmlichen Vorstellungen von Holzbau, zeigen aber, was Holzbau nebst Zweckbauten zu leisten imstande ist.
Beim Entwurf für ein Eventgebäude auf dem Gelände von Knies Kinderzoo in Rapperswil dachte Architekt Carlos Martinez (Berneck, St. Gallen) an ein Zaubertuch. Zirkusdirektor Franco Knie Senior sah darin einen Zauberhut und viele Besucher erinnert der Bau an ein Zirkuszelt. Es handelt sich um ein Schalentragwerk aus Holzelementen. Für die Ausführung zeichnen die Freiform-Spezialisten von Blumer-Lehmann AG Gossau verantwortlich, das Tragwerk konzipierte Pirmin Jung Schweiz AG, Frauenfeld, als Generalplaner zeichnet die Firma Ghisleni.
Das Dach schwingt sich 26 Meter in die Höhe. Das Holzfaltwerk (Fichte) ist durch Holzdruckringe und einem Betonring zusammengehalten und verdankt der Auffaltung eine Höhe die auch Trapeznummern zulässt. Die streng rotationssymmetrische Form ermöglichte die wirtschaftliche Produktion von zwölf gleichen und zwölf gespiegelten Holzelementen. Je zwei Dachelemente ergeben ein Paar, das an einem der zwölf Kehltiefpunkte auf den Nischen im Betonzugring aufgelagert ist. Krönung ist der sogenannte «Hut», der als Sonderelement den Abschluss bildet.
In Zug entsteht an der Ecke Ahornstrasse/Industriestrasse ein ganz besonderes Bauwerk. In Anlehnung an die berühmten hängenden Gärten im alten Babylon heisst die elegante Konstruktion Semiramis. Die 22,5 Meter hohe architektonische Struktur ist konzipiert durch Gramazio Kohler Research, ETH Zürich In Zusammenarbeit mit Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH und Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG. Sie fungiert als vertikaler urbaner Lebensraum für Pflanzen und kleine einheimische Tiere. Semiramis, zwischen dem Künstlichen und dem Natürlichen angesiedelt, wurde durch eine Vielzahl von Synergien und Forschungsprojekten in den Bereichen interaktives Computerdesign, maschinelles Lernen und roboter-basierte Fabrikation geschaffen.
Die Installation besteht aus fünf übereinander schwebenden Holzschalen welche 195 m2 Fläche für rund hundert Arten von einheimischen Pflanzen auf fünf bis 22.5 m über Strassenniveau bieten. Die Brettsperrholzplatten, die mittels TS3-Fugenverguss zu Schalen verbunden sind werden von acht Stahlstützen getragen. Diese sind auf einem Dreiecksraster von 3.4 m angeordnet. Dabei werden jeweils drei bis fünf Stützen an den Fusspunkten und innerhalb einer Schale eingespannt. Das Besondere der Holzschalen ist die Verbindung der einzelnen Brettsperrholzplatten: sie wurden mit der TS3-Vergusstechnologie verbunden. Die TS3-Technologie ist das Resultat von über zehn Jahre Forschung von Timbatec zusammen mit der Berner Fachhochschule in Biel und der ETH Zürich. Sie wird meist im Hochbau bei Geschossdecken eingesetzt und ermöglicht Grossflächen aus Holz durch die stirnseitige Verbindung von CLT-Platten mittels Fugenverguss mit einem Zweikomponenten-PURSystem.
Holzbau als Vorreiter bei Ressourcenschonung
Mit einem detail- und kenntnisreichen Exkurs referierte Max Renggli (CEO und Verwaltungsratspräsident Renggli AG, Schötz) über die aktuelle Lage der Bauwirtschaft und zitierte Economiesuise: «Die Schweizer Wirtschaft fährt derzeit mit angezogener Handbremse». Die Bauinvestitionen in der Schweiz haben zwar zugelegt, vorab bei Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen, der Wohnbau dürfte sich stabilisieren. Über die Hälfte der Gebäude mit Wohnnutzung in der Schweiz seien Einfamilienhäuser. Zudem verzeichne die Statistik nur wenig verdichteten Wohnraum: In dreiviertel der Wohngebäude finden sich bloss eine oder zwei Wohnungen, nur in fünf Prozent sind zehn oder mehr Wohnungen. Weit über die Hälfte der Immobilien in der Schweiz sind älter als 40 Jahre, rund 1,5 Millionen Häuser sind energetisch sanierungsbedürftig.
Immer mehr rücke die gesamte Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Rückbau und Entsorgung eines Gebäudes aufgewendet wurden, in den Fokus, betonte Renggli. Diese gesamthaft aufgewendete «graue Energie» sei ein wesentlicher Faktor bei der Gesamtbetrachtung der Umweltbelastung von Gebäuden, dem noch wenig Rechnung getragen werde. Rezyklierte, lokale und nachwachsende Baustoffe wirken positiv auf diese Bilanz aus. Und hier könne Holz mit allen seinen bekannten ökologischen, ökonomischen und sozialen Vorteilen punkten. Denn der einzuschreitende Weg hin zu ressourcenschonendem wirtschaften werde das Bauen weiter nachhaltig verändern.
Hier kann und wird der Holzbau Vorreiter sein. Die Grundlagen dafür sind rundum intakt: Holz ist ein hochleistungsfähiger, natürlicher und lokal nachwachsender Baustoff, der für alle Bauvorhaben geeignet ist. Der Einsatz von vollautomatischen Systemen und Robotik machen die Produktion effektiver und damit wirtschaftlicher. Im Gleichschritt begünstigen angepasste Baunormen weitere Produktinnovationen wie die Kombination von verschiedenen Holzarten mit neuartiger Verleimungstechnik oder den Einsatz von Holz-Beton-Verbund-Systemen. Die Kombination verschiedener, auch rezyklierter, Baustoffe bringe in Zukunft weitere hybride und faserverstärkte Bauteile für eine noch effizientere und resistentere Bauweise eingesetzt werden. Und die Möglichkeit der digitalen Kollaboration gepaart mit der industriellen Produktion verspreche Teil der Lösung in vielen, dringenden Problemstellungen zu sein., so Renggli
Forschung und Entwicklung
Andrea Frangi, ETH Zürich skizzierte zum Abschluss der Tagung die Erforschung und Entwicklung neuartiger Massivholzwerkstoffen wie bspw. Brettschichtholz, Brettsperrholz, Furnierschichtholz sowie innovativer Verbindungsmittel, welche in Kombination mit computergestützten Entwurfs- und Fertigungsverfahren die Generation des neuen und modernen Holzbaus charakterisieren. Darauf basierend werden aus dem natürlichen und nachwachsenden Baustoff Holz heute hochleistungs-effiziente Bauteile gefertigt, die dazu befähigen, höher zu bauen als sich der aktuelle Standard misst. Die herstellbaren Abmessungen von Bauteilen sind nahezu grenzenlos, sie werden primär durch den Transport limitiert. Und durch die wieder zunehmende Verwendung von Hartholz wie beispielsweise Buche werden heute in Form von Brett- Furnier- oder Stabschichtholz Festigkeiten wie von Beton erreicht.
Auf Grund der stetigen Weiterentwicklung, Forschung und positiven Erfahrungen sind seit der Revision der Schweizer Brandschutzvorschriften von 2015 Gebäudehöhen bis 100 Meter über Terrain mit einer Tragstruktur in Holzbauweise erlaubt. Die Vorschriften orientieren sich somit nicht mehr per se am Baumaterial, sondern an der Wirksamkeit der Schutzkonzepte. Die Schweiz nimmt hier eine liberale Rolle ein und hat Brandschutzvorschriften eingeführt, die auf einem definiertem Qualitätsmanagementprozess basieren.
Noch denken viele beim Holzbau vorwiegend an kleine Einfamilienhäuser. Doch habe sich dieses Mass dreidimensional gestreckt. Im Wohnungsbau wurden in den vergangenen Jahren in der Schweiz Gebäudekomplexe mit über 300 Wohnungen errichtet. Auf dem Globus entstehen mittlerweile überall mehrgeschossige Holzbauten die sich wirtschaftlich beweisen. Das Attraktive dieser Bauten zeige sich insbesondere, wenn die reduzierten Bauzeiten und früheren Bezugstermine berücksichtigt werden, so Frangi. Dank revolutionären Werkstoffentwicklung und beflügelt durch die Intention nachhaltigen Bauens fangen Bauherrschaften und Investoren wieder vermehrt an dem Baustoff Holz ihr Vertrauen zu schenken.
Die Erfahrungen mit dieser Material-, Energie- und Emissionseffizienz dürften in Architektur, Innenarchitektur, im Ingenieurwesen und Forschung verbunden mit Erfindungsgeist weiterhin zu schöpferischen Leistungen führen, betonte Frangi. Und er betonte: eine Offenheit für Technologietransfer ist nach wie vor notwendig, um dem Holzbau eine wirkliche Renaissance zuschreiben zu können. Forschung gepaart mit praktischer Erfahrung der Unternehmen und ihren Fachleuten führen den Holzbau weiter zum Erfolg.
Charles von Büren, Fachjournalist, Bern
Tagungsunterlagen
Ingenieure und Architekten gemeinsam zum Erfolg – Holzbau heute und morgen
Fortbildungskurs S-WIN 2022
104 Seiten A4. Als pdf auf der Webseite von S-WIN erhältlich: https://www.s-win.ch/tagungsbaende/
Autoren der Fachtagung S-WIN 2022
Tagungsleiter
Dr. Andrea Bernasconi, Heig-vd/Hes-so, Yverdon-les-bains
Prof. Dr. Andrea Frangi, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Referierende
Christoph Angehrn, B3 Kolb AG, Romanshorn
Dr. Aleksandra Anna Apolinarska, Gramazio Kohler Architekten, ETH Zürich, Zürich
Charles Binck, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Andreas Burgherr, Timbatec Holzbauingenieure AG, Zürich
Matthias Eisele, merz kley partner AG, Altenrhein
Marloes Fischer, Circular Hub GmbH, Zürich
Prof. Dr. Andrea Frangi, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, Zürich
Raphael Greder, Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See
Daniel Hojdelewicz, Fortimo AG, St. Gallen
Pirmin Jung, PIRMIN JUNG Schweiz AG, Rain
Richard Jussel, Blumer- Lehmann AG, Gossau
Prof. Hermann Kaufmann HK Architekten Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH, Schwarzach / Österreich
Wolfram Kübler, WaltGalmarini AG, Zürich
Prof. em. Dr. Peter Niemz,ehemals ETH, Institut für Baustoffe, Zürich
Olga Rausch, Duplex Architekten, Zürich
Max Renggli, Renggli AG, Sursee
Thomas Rimer, PIRMIN JUNG Schweiz AG, Rain
Gian Salis, Gian Salis Architektur GmbH, Zürich
Andy Senn, St. Gallen
Christoph Starck, SIA, Schweiz. Ingenieur- und Architektenverband, Zürich
Stéphanie Thill, Diener & Diener Architekten, Basel
Aussteller
Fagus Suisse SA, Les Breuleux
Fehr Braunwalder AG, St. Gallen
GUTEX Schweiz GmbH, Frauenfeld
Holz Stürm AG, Goldach
Hüsser Holzleimbau AG, Bremgarten
IMMER AG, Uetendorf
James Hardie Europe GmbH Schweiz, Münsingen
Knauf AG, Reinach BL
Lignatur AG, Waldstatt
PROFIX AG, Lausen
Rigips AG, Mägenwil
Rotho Blaas srl, Kurtatsch
Schilliger Holz AG, Küssnacht am Rigi
TechnoWood AG, Alt St. Johann
Timber Structures 3.0 AG, Thun
Würth AG, Arlesheim